Das Auge von Sindsche by Leslie L. Lawrence

Das Auge von Sindsche by Leslie L. Lawrence

Autor:Leslie L. Lawrence [Leslie L. Lawrence]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Bastei Entertainment
veröffentlicht: 2016-02-29T16:00:00+00:00


54

Erneut setzte ich den Wasserkocher auf die Spiritusflamme. Wir fuhren erst fort, als der frische, heiße Kaffee vor uns auf dem Tisch stand.

»Also dann, wie geht es weiter?«, wandte McCormack sich an mich, nachdem er etwas getrunken hatte.

»Wir müssten noch mal alles von vorne durchgehen«, bot ich an, »vielleicht entdecken wir so etwas.«

»Okay«, er nickte. »Aber diesmal reden Sie, und ich höre zu. Wir fangen mit Katmandu an.«

Ich versuchte meine Gedanken zu ordnen.

»Ich würde damit beginnen, dass die Thompson-Expedition die seltsamste ist, von der ich je gehört habe. Sie sind Reporter. Wissen Sie, was eine komplexe Expedition ist?«

»So ungefähr.«

»Nun, selbige wird dann zusammengestellt, wenn man ein unbekanntes Gebiet bekannt machen will. Wie soll ich sagen? Wenn man ein Gebiet erforscht, das noch nie oder nur selten besucht wurde. Wie zum Beispiel im achtzehnten Jahrhundert Afrika oder Australien. Diese Art der Expeditionen ist eher in früheren Zeiten typisch gewesen. Eine Forschertruppe wurde zusammengestellt, in der fast jede Wissenschaft vertreten war, setzte sich irgendwo fest und sammelte alles, was sie finden konnte. Der Insektenkundler sammelte Insekten, der Ethnologe Märchen, der Linguist Texte, der Geologe Steine. Diese Art von Erkundung hatte natürlich seine Vorteile: Jeder Wissenschaftler konnte ungefähr bestimmen, wie wichtig das Gebiet für seinen Zweig war. Der bis dahin weiße Fleck wurde langsam bunt.«

»Aha. Also ist dieses Gebiet, in das wir gehen werden, ebenfalls so ein weißer Fleck?«

Ich schüttelte den Kopf.

»Überhaupt nicht. Und das ist es, was mich ein wenig misstrauisch gemacht hat.«

»Auch im Falle der Cromwell-Expedition?«

»Zum Beispiel.«

»Weiter, Leslie.«

»Mit einem Wort, heutzutage werden keine komplexen Expeditionen mehr losgeschickt. Es stimmt zwar, dass gewisse Gebiete des Himalaja unbewohnt sind, aber deswegen zu behaupten, die Welt wäre noch voller weißer Flecken, wäre übertrieben. Im Zeitalter der Luftaufklärung kann man schlecht etwas vor der empfindlichen Optik verstecken.«

»Und womit erklären Sie sich dann, dass innerhalb kürzester Zeit gleich zwei solche, wie Sie es nannten, unmoderne Expeditionen gerade in dieses Gebiet geschickt wurden? Und außerdem, wie sieht denn Ihrer Meinung nach überhaupt eine ›moderne Expedition‹ aus?«

»Wie? Sie besteht aus Fachleuten, aber nur aus ein und demselben Gebiet. Öltechniker zum Beispiel, bei denen Sie sicherlich keinen Entomologen oder Folkloristen finden werden. Wozu auch? Es wird nach Öl gesucht und nicht nach Käfern oder Volksliedern. Und was Ihre Frage angeht, warum gleich zwei Trupps so einen Unsinn veranstalten, nun, da kann man nur raten.«

»Also lassen Sie uns raten!«

»Im Falle Lord Cromwells ist die Ursache womöglich der Lord selbst.«

»Meinen Sie?«

»Sehen Sie, Sie haben doch selbst erzählt, dass er viel Geld hat und Tiger, Löwen sowie Zulu-Königinnen bereits gejagt hat. Wieso sollte er nicht auch einmal den Himalaja ausprobieren?«

»Das könnte er auch alleine oder mit seinem Butler tun.«

»Natürlich. Nur dann würde er den Abenteuern aus dem Weg gehen und die wahrscheinlich ihm. Lord Cromwell ist sicher kein Mann, der den Ceringma oder den Kangchendzönga vom Balkon seiner Hotelsuite aus beobachten möchte. Er muss zu den Bergen gehen. Und dort muss unbedingt etwas passieren, das die ganze Reise rechtfertigt.«

»Wenn das sein Ziel war, hat er es erreicht.«

»Wahrscheinlich. Außerdem hätte er noch einen anderen Grund haben können.



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